Mensch und Umwelt
Der Mensch beeinflusst seine Umwelt seit langer Zeit mit jedem Schritt und jedem Atemzug. Tatsächlich ist der Effekt, den die Menschheit auf ihre Umwelt nimmt, mittlerweile so gigantisch, dass sich der Begriff des Anthropozän für die aktuelle Epoche etabliert hat. Häufig ist der Begriff anthropogener Einfluss negativ behaftet. Wir wollen uns heute allerdings nicht mit der Wertung des menschlichen Verhaltens beschäftigen. Vielmehr konzentrieren wir uns auf das (speziell für die Wissenschaft spannende) schwierige Thema, wie der Effekt des Menschen gemessen bzw. klassifiziert werden kann.
Zeit ist Einfluss
Ein von Wissenschaftlern häufig beschrittener Weg, den Effekt des Menschen auf seine Umwelt zu messen, ist es, den Faktor Zeit einfließen zu lassen. Die Beobachtung eines Ökosystems über einen definierten Zeitraum stellt eine beliebte Methode dar, um den anthropogenen Einfluss anhand eines bestimmten Parameters zu untersuchen, der auf den Menschen zurückzuführen ist. Dies gelingt zum Beispiel durch das Messen der Konzentration von Arzneimitteln oder Hormonen in Fließgewässern. Besonders problematisch sind dabei die Stoffe, die — zunächst sorglos entsorgt werden (z.B. in der Toilette) — anschließend nicht von den Kläranlagen gefiltert werden können und damit schlussendlich in den Wasserkreislauf gelangen. Problematisch für Natur und Umwelt — ideal als Marker für den anthropogenen Einfluss. Beobachtet man nun die Änderungen in der entsprechenden Stoffkonzentration (und deren Effekt auf Tier- und Pflanzenwelt) über einen definierten Zeitraum, so kann man Rückschlüsse auf den Effekt des Menschen ziehen.
Die Quintessenz dieses Absatzes: Zeit = Einfluss und es fällt definitiv auf, was wir alles im Klo runterspülen…
Kategorisieren des anthropogenen Einflusses
Anthropogener Einfluss kann also anhand der Zunahme bestimmter Substanzen über einen gewissen Zeitraum beobachtet werden. Eine ungleich größere Herausforderung stellt der Ansatz des Kategorisieren des Effekts des Menschen auf seine Umwelt dar. Die größte Schwierigkeit liegt dabei in dessen Definition. Es fehlen effektive Marker mit denen Grenzwerte für definierte Kategorien gesetzt werden können. Dementsprechend wird in der Wissenschaft aktuell auf die möglichst objektive Einteilung des anthropogenen Einflusses zurückgegriffen. Faktoren wie die Nähe zu urbanisierten Bereichen, Frequenz des direkten menschlichen Kontakts sowie bestimmte vorhandene Umweltparameter – wie beispielsweise Gewässergüteklassen (Ja! Auch die hängen u.a. mit dem zusammen was wir Menschen im Klo runterspülen — immer das Gleiche mit diesen zusammenhängenden Systemen…) – fließen dabei in die Beurteilung mit ein. Auch wenn damit eine relativ gute Einteilung möglich ist, verschwimmen die Grenzen zwischen den einzelnen Kategorien. Nicht zuletzt deswegen sollte sich die Wissenschaft darum bemühen, sich diesem schwierigen Problem anzunehmen und standardisierte Beurteilungskriterien einzuführen, um langfristig vergleichbare Ergebnisse zu liefern.
Unberührte Gebiete?
Anthropogener Einfluss hin oder her, abgesehen von den eben erwähnten Schwierigkeiten in dessen Kategorisierung gibt es noch einen essenziellen Punkt, der dieses Thema so heikel macht. Neben der Globalisierung und den schier unendlichen technischen Möglichkeiten, die es uns erlauben jeden Fleck unseres Planeten (und eigentlich auch darüber hinaus) zu erreichen, gibt es noch weitere Gründe, die gerne unterschätzt werden, wenn von anthropogen unberührten Gebieten gesprochen wird: globale Wind- und Wasserströmungen sowie große Tierwanderungen. Diese Dinge verbinden alle terrestrischen und aquatischen Ökosysteme und spielen beispielsweise auch in der Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen eine Rolle.
Gibt es also überhaupt noch sogenannte unberührte Gebiete? Auch wenn diese Frage an dieser Stelle nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann, sind tatsächlich vom Menschen komplett unangetastete Gebiete zumindest höchst unwahrscheinlich. Die genannten Beispiele, welche zeigen wie die Welt verknüpft ist, tun zu dem ohnehin massiven direkten anthropogenen Einfluss ihr Übriges. Um den Bogen mit der Toilettenspülung fertigzuspannen (und weil Wiederholung nachgewiesenermaßen das Erinnerungsvermögen verbessert (z.B. Hintzman 2010)) verfolgen wir doch noch den potentiellen Weg von einem Hormonwirkstoff aus dem Blister zum Weltenbummler: Das abgelaufene Arzneimittel wird von jemandem nicht mehr benötigt und da sich diese Person nicht intensiv mit der fachgerechten Entsorgung beschäftigt hat (Achtung! Medikamente gehören entweder in die Problemstoffsammelstelle oder an die Apotheke des Vertrauens übergeben!), landet er kurzerhand in der Toilette — aus den Augen aus dem Sinn. Am Weg Richtung Klärwerk, lösen sich einzelne Substanzen aus dem Medikament, die dann nicht mehr von der Anlage gefiltert werden können. Was passiert mit dem “gesäuberten” Abwasser? Richtig, es gelangt zurück in die umgebenden Fließgewässer und da keine Anlage perfekt ist, hat es unser kleines Hormon bereits aus dem Blister in die lokalen Bäche und Flüsse geschafft. Dort angekommen, sieht es sich allerlei neuer Herausforderungen ausgesetzt und wird womöglich relativ schnell von einem kleinen Fisch aufgenommen, welcher wieder im Sinne des Kreislauf des Lebens einem Vogel als Nahrungsgrundlage dient. Und wie es der Zufall in unserer kleinen Geschichte so will, handelt es sich bei der angesprochenen Vogelart um Zugvögel, die sich dann auf große Wanderschaft begeben. Mit an Board ist dann unser kleines Hormon, welches sich nun aufmacht in eine neue Welt. Fehlt nur noch, dass die Vögel das Hormon dann verbreiten. Wie…?