Antibiotikaresistenzen — wahrlich eine globale Herausforderung
Die heutige Welt sieht sich einigen großen Herausforderungen gegenüber, und seien wir ehrlich – bisher sind wir nicht besonders gut darin, diese zu bewältigen. Der Klimaschutz geht nur schleppend voran, wirtschaftliche Herausforderungen betreffen nahezu jedes Land, und Lieferketten erinnern immer noch eher an wackelige Dominosteine als an ein solides Fundament.
An der Gesundheitsfront kämpfte sich die Bevölkerung durch eine weltweite Viruspandemie während eine andere schon seit jahrend still und heimlich voranschreitet: Antibiotika-resistente Bakterien. Von der WHO als eine der größten weltweiten Herausforderungen betitelt ist sind Antibiotika-Resistenzen längst nicht mehr nur in direkter menschlicher Umgebung ein relevantes Thema. Wusstest du, dass es auf den höchsten Bergen und den nördlichsten und südlichsten Regionen unserer Erde Bakterien gibt, denen unsere Antibiotika nichts anhaben können? Nein? Dann lass uns gemeinsam herausfinden warum.
Die führende Rolle der Globalisierung
Unsere eng vernetzte und verknüpfte Welt, wie wir sie heute kennen, bringt zwar extrem viele Vorteile mit sich, jedoch führt diese starke Verknüpfung auch dazu, dass sich praktisch alles sehr viel schneller verbreiten kann als früher. Mikroorganismen kennen keine Grenzen, und durch uns Menschen verbreiten sich Viren, Bakterien und Co blitzartig, wie die Covid-19-Pandemie eindrucksvoll gezeigt hat. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für antibiotikaresistente Bakterien, die potenziell sowohl auf als auch in uns um die ganze Welt reisen können.
Der Transport solcher Organismen an sich wäre vielleicht noch gar nicht das große Problem. Dumm nur, dass diese dann auch noch so verdammt gerne mit ihren Fähigkeiten hausieren gehen und anderen Bakterien schnell mal beibringen, wie man Antibiotika unschädlich machen kann. Zu allem Überfluss sind diese Mikroben natürlich für das bloße Auge unsichtbar, und wir bekommen es nicht einmal mit, wenn wir resistente Organismen transportieren oder diese ihre Informationen austauschen… vermutlich Fluch und Segen.
Die drei W: Wind, Wasser, Wanderung
Abgesehen vom Transport durch uns Menschen gibt es noch einige weitere wichtige Faktoren bei der Verbreitung von Mikroorganismen und potenziell antibiotikaresistenten Bakterien. Globale Windsysteme erstrecken sich über den gesamten Erdball und transportieren teilweise komplette Gemeinschaften von Mikroorganismen (beispielsweise mit Saharastaub!) von A nach B. Dasselbe gilt auch für Meeresströmungen und Fließgewässer, in denen sich antibiotikaresistente Bakterien gerne treiben lassen. So gelangen beispielsweise resistente Mikroben aus unserem Darm über die Klospülung durch die Kläranlagen in Fließgewässer und vielleicht sogar bis ins Meer. Und wie immer können diese Bakterien anderen Bakterien potenziell beibringen, wie man resistent gegen Antibiotika wird.
Wenn wir den Blick von physikalischen Transportwegen hin zu biologischen lenken, stechen sofort Zugvögel ins Auge. Diese und andere migrierende Tiere können auf ihren Wanderungen Bakterienkolonien und eventuell vorhandene Antibiotikaresistenzgene gut und gerne über tausende Kilometer hinweg transportieren.
Bis in die Kryosphäre (und noch viel weiter)
Mittlerweile wissen wir, dass all diese Prozesse dazu führen, dass sich antibiotikaresistente Bakterien über den gesamten Globus ausgebreitet haben. Und wenn ich sage komplett, dann meine ich komplett. Das inkludiert auch die Kryosphäre – die Region der Erde, in der Wasser in seiner festen Form als Schnee (auch saisonal) oder Eis vorkommt. Die höchsten Berge mit ihren Gletschern und auch die nördlichsten und südlichsten vereisten Gegenden unserer Erde sind nicht frei von Bakterien, denen Antibiotika absolut gar nichts anhaben können. Gegen antibakterielle Substanzen aller Klassen, Wirkungsweisen und Herstellungsformen wurden bereits Resistenzen gefunden.
Die beschriebenen Transportwege spielen dabei sicher eine wesentliche Rolle, vor allem für Antibiotika, die keine natürlichen Vorbilder haben, sondern im Labor designt und hergestellt werden. Ein weiterer Faktor sind jedoch vermutlich auch sogenannte intrinsische Resistenzen: unspezifische Abwehrmechanismen, die manche Bakterien von Natur aus gegen schädliche Substanzen aller Art schützen.
Und warum ist das relevant?
Warum nun ist es aber für uns überhaupt relevant, ob in den gefrorenen Regionen unserer Erde Bakterien leben, denen Antibiotika nichts anhaben können? Sorgen bezüglich freigesetzter Killerbakterien müssen wir uns wohl kaum machen, denn die meisten Organismen können bei 37°C (also unserer Körpertemperatur) nicht einmal überleben. Schmelzprozesse, die bekanntlich durch den Klimawandel deutlich zugenommen haben, können jedoch dazu führen, dass eben jene resistenten Bakterien in andere Regionen gelangen. Schmelzwasser von Gletschern landet früher oder später in menschlichen Siedlungsgebieten, und mit ihm werden nun diese teils multiresistenten Organismen transportiert. Diese wiederum sind dazu in der Lage, ihre Gene mit den dort ansässigen Bakterien zu teilen und Antibiotika-Resistenzen somit effektiv weiterzuverbreiten. Schlussendlich kann diese Übertragung auch Krankheitserreger erreichen, und das wollen wir ja nun wirklich nicht. Das Potenzial der antibiotikaresistenten Bakterien, die durch Schmelzprozesse “angeschwemmt” werden, ist bisher noch kaum erfasst, könnte aber eine essenzielle Rolle in unserem Verständnis der Verbreitung und Eindämmung von Antibiotika-Resistenzen spielen. Es ist immerhin ein globales Phänomen und sollte dementsprechend auch als ein solches behandelt werden, denn medizinische Einrichtungen sind ebenso wenig ein abgeschlossenes System wie Gletscher, Arktis und Antarktis frei von menschlichem Einfluss sind.