Die Zerstörungskraft des Anthropozän
Wir befinden uns im sogenannten Anthropozän — und lassen es die Erde spüren. Menschengemachter Klimawandel, Plastikverschmutzung, anthropogen verursachte Antibiotika-Resistenzen und Versiegelung von Grünflächen, sind nur einige Beispiele, die den Gedanken aufkommen lassen könnten, die Menschheit testet die Grenzen „seines“ Planeten.
Die Auswirkungen unseres Handelns erlangt seit einigen Jahren verstärkt Aufmerksamkeit, besonders da wir bereits jetzt zu Teilen die Folgen von Klimawandel und Co. am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die Wissenschaft jedenfalls weist schon lange darauf hin, dass nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern auch die Rodung von Waldflächen sowie die Verstädterung das globale Klima zusätzlich aufheizen, dass sich Mikroplastik in der Natur kaum zersetzt und schlussendlich wieder in unserer Nahrungskette landet, dass multiresistente Superkeime sich anschicken, all unsere Antibiotika wirkungslos zu machen…
Da schlechte Neuigkeiten aber selten alleine kommen: die genannten Phänomene greifen zum Teil stark ineinander was einen kaum zu durchbrechenden Teufelskreis schafft.
Während wir Menschen beispielsweise aufgrund des Klimawandels langsam ins Schwitzen geraten (wortwörtlich!), genießen einige andere Bewohner wie beispielsweise krankheitserregende Mikroorganismen die steigenden Temperaturen.
Klimawandel und Antibiotika-Resistenzen
Der Klimawandel alleine scheint schon Herausforderung genug zu sein. Während schleichend ein viel zu langsames und vor allem zu spätes Umdenken stattfindet, hat man laut dem Pariser Klimaabkommen zumindest Temperaturerhöhungen von 1,5 °C akzeptiert — vorausgesetzt die Ziele werden erreicht. Welche Auswirkungen ein Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur um „nur“ wenige Grad Celsius nach sich zieht haben schon viele Berichte behandelt (hier). Neu ist allerdings eine Studie vom Februar dieses Jahres, die sich mit einem bis dato in diesem Zusammenhang unbeachteten Phänomen auseinandersetzt: der Klimawandel und Antibiotika-Resistenzen.
Das kommt zum einen daher, dass der horizontale Gentransfer — ein entscheidender Faktor in der Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen — mit erhöhter Temperatur vermehrt auftritt. Zum anderen besagt ein in der Wissenschaft lang bekanntes Prinzip, dass sich Mikroorganismen bei höheren Temperaturen schneller vermehren. Dies gilt besonders auch für krankmachende Keime, die darauf optimiert sind bei unserer Körperkerntemperatur optimal zu funktionieren und zu wachsen. Zu allem Überfluss gibt es bereits einige Berichte darüber, dass ein Zusammenhang zwischen erhöhten Temperaturen und Infektionsraten durch Pathogene besteht.
Extremereignisse und ihre weitläufigen Konsequenzen
Die klimatischen Veränderungen, die unser Planet durchmacht und durchmachen wird, führen aber neben der merkbaren Erderwärmung auch zur Häufung von Extremereignissen. Abseits von direkten Konsequenzen durch Dürre, Überflutungen und Co. können diese auch zur Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen beitragen. Stickstoffdünger beispielsweise sind bekannt dafür, die Verbreitung und Entstehung von Antibiotika-resistenten Bakterien zu fördern.
Durch klimatisch bedingte vermehrt auftretende Hochwasserereignissen, können Fließgewässer und landwirtschaftlich ungenutzte Flächen mit Stickstoffdünger verschmutzt werden was wiederum die Ausbreitung resistenter Mikroorganismen weiter fördert. Auch Sanitäranlagen — vor allem in Ländern mit schwächerer sanitärer Infrastruktur — könnten Opfer von Extremereignissen sein, wodurch Abwasser (ein bekanntes Reservoir für Antibiotika-Resistenzen) ungefiltert in die Umwelt gelangen kann.
Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch?
Während durch steigende Temperaturen auch zu erwarten ist, dass sich verschiedene Infektionskrankheiten ausbreiten werden und vermehrt auch bis dato klimatisch moderate Gebiete erreichen (man denken an Stechmücken und Zecken), so führt der Klimawandel vor unter anderem auch dazu, dass manche Bereiche mit vermehrter Trockenheit zu kämpfen haben. Mycobacterium tuberculosis, verantwortlich für die Tuberkulose, ist zum Beispiel bekannt dafür, bei reduzierter Feuchtigkeit resistenter gegen Antibiotika zu sein.
Ein besonders düsteres Szenario stellt die Kombination der Auswirkungen von Plastikverschmutzung, Klimawandels und Antibiotika-Resistenzen dar. Mikroplastik ist bekannt dafür, den genetischen Austausch zwischen Bakterien zu fördern und findet sich mittlerweile über den gesamten Globus verteilt. Schließen sich Krankheitserreger wie beispielsweise Vibrio cholerae diesen mikrobiellen Mikroplastik-Gemeinschaften an, können diese über horizontalen Gentransfer, der bei erhöhten Temperaturen bekannterweise vermehrt stattfindet, Antibiotika-Resistenzen entwickeln. Zieht man hinzu, dass sich dieser Keim durch steigende Temperaturen zusätzlich stärker in gemäßigteren Klimazonen ausbreitet, wird das Pulverfass auf dem wir sitzen, schnell deutlich. Die Kombination aus den Resultaten unseres Handelns wird in Zukunft sehr wahrscheinlich auf uns zurückfallen — in dem hier gezeichneten Szenario in Form einer Cholera-Pandemie.
Die Moral von der Geschichte
Globale Prozesse greifen stets ineinander. Da stellen auch die vom Menschen verursachten Phänomene keine Ausnahme dar. Dementsprechend dürfen diese auch nicht isoliert betrachtet werden. In weitere Folge müssen die Ursachen auch ganzheitlich betrachtet und bekämpft werden. Hier sind Politik, Wissenschaft und Bürger gleichermaßen in die Verantwortung zu ziehen. Viele Rädchen greifen in der Natur ineinander weshalb gemeinsam an mehreren Schrauben zugleich geschraubt werden muss, um im Endeffekt nicht nur hinterherzuhinken und sich in der Bekämpfung von einer Übermacht an Symptomen wiederzufinden.
Die ganze Studie dazu gibt es hier.